Am 19. März 2023 ordneten der Bundesrat und die Schweizerische Finanzmarktaufsicht (FINMA) die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS an. Sie taxierten die Credit Suisse aufgrund des jahrelangen Missmanagements und des daraus resultierenden Vertrauensverlusts als nicht mehr überlebensfähig. Zahlreiche Anleger erlitten durch diese Zwangsheirat hohe Verluste – der Frust sitzt tief.
Der vorliegende Beitrag dient dazu, überblicksartig die verschiedenen rechtlichen Möglichkeiten aufzuzeigen, die geschädigten Aktionären der Credit Suisse offenstehen. Dafür muss in einem ersten Schritt kurz auf einige Punkte der Übernahme eingegangen werden.
Die Übernahme im zeitlichen Ablauf
Ab Oktober 2022 kam es zu substanziellen Liquiditätsabflüssen bei der Credit Suisse. Nachdem Anfang März 2023 in den USA mehrere Bankinstitute in Schieflage geraten waren, zogen aufgrund des damit einhergehenden Vertrauensverlustes auch Kunden der Credit Suisse reihenweise ihr Guthaben ab. Mitte März spitzte sich diese Situation zu.
Dessen ungeachtet sagte der CEO der Credit Suisse, Ulrich Körner, am 14. März 2023 gegenüber Bloomberg, die Credit Suisse habe am 13. März, also am Tag zuvor, einen Zufluss an Kundengeldern verzeichnet. Auch die Liquidität der Bank hätte sich verbessert.[1]
Scheinbar bestätigt wurden diese Aussagen von der FINMA und der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Diese veröffentlichten am 15. März 2023 ein gemeinsames Statement, wonach die Credit Suisse gut kapitalisiert sei und über genügend Liquidität verfüge.
Vier Tage später, am 19. März 2023, kam aber alles anders: Die Öffentlichkeit wurde informiert, dass die Credit Suisse von der UBS geschluckt würde. Leittragende waren insbesondere die Aktionäre der Credit Suisse: Sie erhielt nur noch 76 Rappen pro CS-Aktie, während diese einen Tag zuvor noch bei CHF 1.86 gestanden hatte.
Gleichzeitig wurde die Credit Suisse von der FINMA per Verfügung angewiesen, die AT1-Anleihen auf null abzuschreiben.
Die Übernahme stützte sich dabei auf eine vom Bundesrat erlassene Notverordnung.
Gemachte Aussagen heikel und teilweise wohl unzutreffend
Die mittlerweile öffentliche FINMA-Verfügung vom 19. März 2023, mit welcher sie die Credit Suisse anwies, die AT1-Anleihen abzuschreiben, widerspricht den Aussagen von Ulrich Körner vom 14. März 2023. Denn in ihrer Verfügung schreibt die FINMA, die Mittelabflüsse bei der Credit Suisse hätten sich «ab dem 13./14. März 2023 akzentuiert». Von einem Zufluss an Kundengeldern am 13. März 2023, wie von Herrn Körner behauptet, kann damit keine Rede sein.
Auch das gemeinsame Statement von FINMA und SNB vom 15. März 2023 scheint zumindest beschönigend. Erstens widerspricht auch dieses bis zu einem gewissen Grad der FINMA-Verfügung vom 19. März 2023, wonach die Credit Suisse bereits Mitte März in Liquiditätsengpässen war und am 15. März 2023 einen Antrag auf ausserordentliche Liquiditätshilfe bei der SNB stellte. Und zweitens dürften der drohende Untergang der Credit Suisse und die Übernahme durch die UBS am 15. März 2023 bereits ein realistisches Szenario gewesen sein.
Klagen gegen die (ehemaligen) Manager der Credit Suisse
Zumindest theoretisch denkbar wäre es zunächst, die Geschäftsleitungs- und Verwaltungsratsmitglieder der Credit Suisse einzuklagen, die durch ihr Missmanagement den Niedergang der Bank verschuldet haben. Die Voraussetzungen für solche «Verantwortlichkeitsklagen» sind im Schweizer Recht aber prohibitiv hoch, sodass kaum Aussicht auf Erfolg besteht.
Klagen gegen die Credit Suisse bzw. die UBS
Möglich wäre auch, die Credit Suisse – bzw. deren Nachfolgerin, die UBS – für die Falschaussagen von Ulrich Körner am 14. März 2023 zur Verantwortung zu ziehen. Dieses Vorgehen kommt aber von Vornherein nur für Aktionäre in Frage, die nach dem 14. März 2023 Aktien der Credit Suisse gekauft haben. Diese Aktionäre könnten argumentieren, dass sie ohne die Aussagen von Herrn Körner die CS-Aktien nicht gekauft und den mit diesem Kauf einhergehenden Verlust deshalb nicht erlitten hätten.
Aber auch diese zweite Möglichkeit ist mit Unsicherheiten verbunden. Eine zivilrechtliche Haftung für unwahre öffentliche Angaben zur Situation eines Unternehmens wurde in der Schweiz bisher noch nie erfolgreich durchgesetzt. Es handelt sich also um juristisches Neuland und es ist unklar, wie die Gerichte auf diese Idee reagieren würden.
Ebenfalls gegen die UBS richten würde sich eine Klage nach dem Fusionsgesetz, wonach das Umwandlungsverhältnis zwischen den UBS- und den CS-Aktien, d.h. eine UBS-Aktie für 22,48 CS-Aktien, nicht angemessen sei. In den Medien konnte man lesen, dass solche Klagen fristgerecht eingereicht wurden.[2] Sollten die Gerichte feststellen, dass das Umwandlungsverhältnis tatsächlich nicht angemessen ist und den CS-Aktionären mehr als nur eine UBS-Aktie pro 22,48 CS-Aktien zusprechen, würden sämtliche Aktionäre der Credit Suisse davon profitieren – und nicht nur diejenigen, welche die Klage erhoben haben.[3] Es gilt somit abzuwarten.
Staatshaftung
Eine weitere Option ist eine Staatshaftungsklage. Zum einen könnten Aktionäre argumentieren, sie seien durch die beschönigende Kommunikation der SNB und der FINMA vom 15. März 2023 irregeführt und zu einem Kauf von CS-Aktien verleitet worden. Daraus sei ihnen ein Schaden entstanden. Zum anderen könnte auch direkt gegen den Bundesrat vorgegangen werden, etwa mit dem Argument, die Voraussetzungen für den Erlass von Notrecht seien nicht gegeben gewesen.
Ehrlicherweise muss man aber auch hier sagen: Die Erfolgschancen einer Staatshaftungsklage in der Schweiz sind eher gering. Schweizer Gerichte sind ganz grundsätzlich zurückhaltend bei Staatshaftungsfragen, und die politische Dimension der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS dürfte diese Zurückhaltung im vorliegenden Fall noch verstärken. Geschädigte Aktionäre können sich jedoch überlegen, sich einer «Sammelklage» anzuschliessen, um ihre Rechte kostengünstig geltend zu machen. Der SASV wird dazu entsprechend informieren.
Zusammengefasst dürfte es für Aktionäre der Credit Suisse schwierig werden, den durch die Fusion erlittenen Verlust durch die Einleitung rechtlicher Schritte zu mildern. Dessen ungeachtet kann es sich gerade bei substanziellen Verlusten lohnen, den Einzelfall genauer anzuschauen. Zögern Sie daher nicht, den Schweizerischen Anlegerschutzverein zu kontaktieren, falls Sie Fragen haben. Am besten erreichen Sie uns über das Kontaktformular.